Nam June Paiks unbetitelte Skulptur von 1994 gehört zur großen Gruppe der "Robots", in denen Paik aus Fernsehmonitoren, Abspielgeräten, zuweilen Kameras, Möbeln und technischen Bauteilen zumeist anthropomorphe Figuren zusammengesetzt hat, die auf antagonistische Weise das illusionistische Fernsehbild mit dreidimensionaler figürlicher Darstellung verbinden.
Paik stellt nicht nur Tradition und Moderne, Natur und Kultur einander gegenüber – mit der gleichzeitigen Absicht einer Kulturkritik und einer Versöhnung des Neuen mit dem Alten –, sondern er zeigt in diesen Figuren auch auf, wie stark die Weltwahrnehmung des Einzelnen und der Gesellschaft insgesamt sich durch den Filter der Medien verändert hat und durch die Medien beeinflußt wird.
Der "Robot" von 1994 hat eine märchenhafte, mythische Anmutung: die aus Monitoren gebildeten Gliedmaßen tragen einen Körper, auf dem ein technoider Ballonkopf aus Objektivaugen dem Betrachter entgegenblickt. In den "Händen" trägt die Figur wiederum zwei Monitore, als wären sie zwei Laternen, die den Weg durch den dunklen Wald erhellen sollen. Auf den ersten Blick mit einem langzipfeligen Hut bekrönt, der im wesentlichen die koboldhafte Gestalt charakterisiert, stellt sich dieser Hut als Grammophontrichter heraus und verweist auf die Frühzeit der technischen Musikwiedergabe.
Der "Robot" entstand in der (beginnenden) Hochzeit von Musikvideo und Musiksendern wie VIVA oder MTV, und Paik kontrastiert das überkommene, im wesentlichen individuelle Musikerlebnis mit der rasanten Entwicklung dieser Jahre, die zur kollektiven, auch visuellen Präsenz von populärer Musik führte. Angesichts der gegenwärtigen Transformation weiter Teile der Gesellschaft zu einer Art Ansammlung von Mobiltelefon-Cyborgs, die die meisten Jugendlichen, aber auch große Teile der erwachsenen Gesellschaft ihre Umwelt und ihre Kommunikation nur noch über das Interface ihres Handys erleben läßt, wird Nam June Paiks Zivilisationskritik in Gestalt dieses nur noch aus Medienreceivern bestehenden Wesens geradezu schmerzhaft aktuell.